Spuren der Verirrten (Textfassung 2)

Typoskript 2-zeilig, 48 Blatt, ??.07.2005 bis ??.11.2005

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Die zweite Textfassung von Peter Handkes Stück Spuren der Verirrten ist zweizeilig getippt und zählt 48 Blatt, die nach einem unpaginierten Titelblatt (Bl. I) mit einer Seitenzählung von 1-47 versehen sind. Die einzelnen Szenen wurden von Handke durch Bleistiftsternchen voneinander getrennt (die Szenentrennung durch Sternchen wurde auch in die Druckfahnen übernommen). Diese Fassung ist undatiert, dürfte den Datierungen der Textergänzungsnotizen zufolge (ÖLA 326/07/W76) aber erst im November 2005, also vier Monate nach Fertigstellung der Manuskriptfassung am 22. Juli 2005, geschrieben worden sein. Die Angabe der Entstehungszeit des Stückes am letzten Blatt des Typoskripts lautet »Juli – November 2005« (Bl. 47); sie bestätigt diese Annahme. Die Fassung diente jedenfalls als Satzvorlage für die Abschrift des Verlags beziehungsweise für das Bühnenbuch. Dem Konvolut ist ein Farbproof des Buchumschlags beigelegt, der bereits die grafische Gestaltung des veröffentlichten Buches zeigt – darauf sind von Handke gezeichnete Spuren von Menschen und Tieren zu sehen. Der Farbproof ist vermutlich parallel zur Druckfahnenherstellung entstanden und muss dem Typoskript demnach später beigelegt worden sein.

Umarbeitung der ersten Textfassung

Im Zuge der Niederschrift der zweiten Textfassung wurde der Text der ersten Fassung von Handke noch einmal signifikant überarbeitet und erweitert. Eine entscheidende, die Form des Stücks verändernde Neuerung ist die Einführung eines Erzähler-Ichs und zugleich Zuschauers, der seine Wahrnehmungen berichtet. Dieser ersetzt in Spuren der Verirrten die »neutralen«, vom Dialogtext abgehobenen Szenenanweisungen. Der Beobachter des Geschehens schildert die szenenhaften Vorgänge, wird jedoch selbst nicht zur Figur beziehungsweise zum Redner und Mitspieler wie später das Ich in Immer noch Sturm. Heißt es in der ersten Textfassung am Stückanfang noch: »Irgendwann wird auch ein Zuschauer auftreten und sich an den Rand der Szene begeben, zuerst stehend und mit der Zeit sich vielleicht setzend.« (ÖLA 326/07/W70, Bl. II), so lautet diese Passage in der zweiten Textfassung: »Und wieder habe auch ich meinen Platz eingenommen, als Zuschauer. Seit jeher habe ich nichts getan als zuschxxx\auen./ Und inzwischen ist das meine Rolle geworden. Vor lauter Zuschauen bin ich zu nichts anderem gekommen. Es wird mir \aber/ nachgesagt, ich sei ein guter Zuschauer, \besser noch, ein überzeugender/ und der spiele eine Rolle, die \das sei/ mehr sei als die eines guten\r/ Zuhörers. \Wie überzeugend? Man wird vielleicht noch sehen./« (Bl. 1)

Der Beginn der ersten Szenen veranschaulicht die neutrale Erzählerperspektive der ersten Textfassung: »Zunächst also zum Beispiel zwei, die im Gehen ihren Weg markieren. Das muß nicht mit Brotbrocken sein, und die beiden müssen keine Kinder sein, und es muß auch nicht für den Rückweg sein.« (ÖLA 326/07/W70, Bl. II) In der zweiten Textfassung berichtet ein Erzähler-Ich seine Beobachtungen, die er zugleich mittels Fragen für verschiedene Interpretationen öffnet – hier bringt er sie etwa mit dem Märchen Hänsel und Gretel in Verbindung: »Zunächst sehe ich also zwei, die im Gehen ihren Weg markieren, mit Brotbrocken? Es sind Erwachsene, keine Kinder. Ist es für den Rückweg?« Diese Szene ist hier nun doppelt so lang wie noch in der ersten Textfassung. Aber auch andere Stellen wurden von Handke erweitert, zum Beispiel fügte er noch im vorderen Teil des Stücks eine ganze Szene ein (Bl. 7), und er ergänzte in einer Szene eine 17 Zeilen umfassende, in Klammern gesetzte Passage, einen Kommentar des Ich-Erzählers: »(Ich habe im übrigen vergessen, zu erwähnen, daß […].)« (Bl. 12).

Handschriftliche Korrekturen

Das Typoskript wurde von Handke noch einmal mit Bleistift korrigiert, wobei es sich nur mehr um kleine Eingriffe handelt, meist um Verbesserungen von Tippfehlern oder Einfügungen beziehungsweise Auswechslung einzelner Wörter. Selten wurde ein ganzer Satz ergänzt wie beispielsweise: »Geht in Frieden – es wird euer letzter sein. \Der letzte Schnee, bald wird er fallen. Und bald der letzte Tau. Schwarz der Schnee und eitergelb der Tau./ Geht. Zirkuliert.« (Bl. 21; vgl. SV 40) oder: »Und eEs werden die Tage sein, und die Zeit wird nimmer sein. Und es werden die Jahre vergehen, und die Zeit wird nimmer mehr wehen. \Aus mit dem Zittern bei ihrem Wittern. Aus mit dem Schauder bei ihrem Zauber./« (Bl. 35; vgl. SV 64). Erst gegen Schluss des Stücks (Bl. 37, 39 u. 42) findet man längere Texteinschübe.

Kopie

Nach Abschluss der Überarbeitung Ende November kopierte Peter Handke das Typoskript der zweiten Textfassung. Diese Kopie (Besitz 2) dokumentiert nahezu alle im Original eingetragenen Korrekturen, bis auf drei kleine Fehler, die er in der Kopie mit Bleistift ausbesserte (Bl. 17, 19, 36). Eine Satzeinfügung im hinteren Stückteil wurde sowohl im Original als auch in der Kopie mit Bleistift eingetragen, wobei sich eine kleine Abweichung zeigt – im Originaltyposkript lautet der Satz: »x) Ah, der Wind jetzt, Jetzt!, das ist der Wind von Anfang an, der Wind aller Zeiten – es war einmal. Und:« (S. 37). In die Kopie schrieb Handke: »x Ah, der Wind jetzt, das ist der Wind von Anfang an, der Wind aller Zeiten: Es war einmal. Und:« (ÖLA 326/07/W73, S. 37). (kp)

Siglenverzeichnis Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

Spuren der Verirrten [Bl. I]

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  (Juli–November 2005) [Bl. 47]
Datum normiert:  ??.07.2005 bis ??.11.2005

Materialart und Besitz

Besitz 1:  Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
Art, Umfang, Anzahl: 

Typoskript 2-zeilig, 48 Blatt, fol. I, pag. 1-47

Format:  A4
Schreibstoff:  Bleistift
Weitere Beilagen: 

Farbproof des Buchumschlags, 1 Blatt